Grundlagen und Informationstexte

Des Übels Fortschritt - Werbung per Mail

Nachdem Werbebotschaften im Usenet nicht mehr so einfach effektiv unter das Volk gebracht werden konnten, vollzog sich ein Schwenk weg vom Usenet und hin zu einzeln zugestellten Mails, die nicht alle auf einen Schlag gelöscht werden konnten.

Nun begann endgültig der Technik-Wettkampf zwischen den Werbeversendern und den Anwendern, die sich ihr Netz nicht kaputt machen lassen wollten. Die Versender fischten im Usenet und auf WWW-Seiten nach Mailadressen der Nutzer und begannen ihre Glücksversprechen per Mail zuzustellen. Diese Form des unlauteren Wettbewerbs um die Kunden nennt man "unsoliticed commercial email", abgekürzt UCE.

Wie schon bei der Werbung im Usenet beschwerten sich natürlich viele Anwender bei den zuständigen Providern. Daraufhin wurden wieder einmal eine Reihe von Zugangsverträgen gekündigt. Die Werbeversender begannen daraufhin, ihre Absenderadresse zu fälschen. Weil das alleine nicht viel half, mißbrauchte man darüber hinaus fremde Mailserver als sogenanntes Mailrelay.

Damit war ein ursprünglich der Betriebssicherheit und Stabilität dienendes Werkzeug zu einem großen Problem geworden. Ursprünglich konnte man etwaige Verbindungs- und Lastprobleme umgehen, indem man den Weg einer Mail über besser erreichbare Mailserver vorschrieb. Nun hatten die Provider die Kosten für die Übertragung von Werbemails zu tragen, die sie niemandem in Rechnung stellen konnten. Da die Absender gefälscht waren, konnte man auch den Verursacher einer Massenmail nicht mehr sicher ermitteln. Also schalteten nach und nach alle Provider das Relaying von Mails ab. Leider findet man auch heute noch genug schlecht gewartete Systeme im Internet, die immer noch das Relaying von Mails zulassen.

Die gefälschten Adressen führten dazu, daß völlig unschuldige Dritte die Fehlermeldungen und die Beschwerden der unerfahreneren Opfer abbekamen. Den Versendern war das nur Recht: Zum einen verdoppelte dies ihre potentielle Leserschar, zum anderen hatten sie keinen Ärger mehr mit all den Fehlermeldungen und Beschwerden. So wurden Geldbeutel und Nerven auf Kosten des Netzes geschont.

Die nächste Stufe der Rüstungsspirale waren Filterprogramme, um die Werbung wegzufiltern, und auf der anderen Seite allerhand Tricks, um die Filter wieder auszuhebeln. Schließlich begannen die Werbeversender mit Programmierern von Computerviren zusammenzuarbeiten. Sie nutzten nun Programmierfehler im Betriebssystem und in den Anwendungsprogrammen auf Computern von unerfahrenen Nutzern dazu aus, im fremden Auftrag Mails zu verschicken.

Während die Anfänge der Massenmail in kommerzieller Werbung lagen, kamen nach und nach auch Sekten und politische Randgruppen auf die Idee, per Massenmail um Aufmerksamkeit zu buhlen. Es etablierte sich daher neben der oben bereits erwähnten UCE der Oberbegriff "unsoliticed bulk email", kurz UBE.

Im Laufe dieses Wettrüstens wurde immer klarer, daß die trotz aller Eindämmungsversuche massenhaft verteilte Werbung die neue, schnelle und dabei sehr kostengünstige Kommunikationsform Mail sehr bald wieder zunichte machen würde. Die Reaktion darauf war unterschiedlich. Einige versuchten weiterhin durch immer ausgefeiltere Methoden, den Massenmails Herr zu werden. Andere resignierten und schafften den frisch erworbenen Internetzugang wieder ab. Wieder andere waren derartig erzürnt, daß sie zur Lynchjustiz übergingen und erkannte Versender von Massenmails mit dem berühmten Sack und einem Baseballschläger überfielen. Schließlich begann die Politik zu reagieren. Das geschah erst langsam und zögerlich, wurde später aber entschlossener.

In einigen amerikanischen Bundesstaaten ist das Versenden von unerwünschter Massenmail inzwischen gesetzlich verboten und wird mit einer Strafe von bis zu USD 500,- pro einzelner, verschickter Mail geahndet. In Deutschland wird das Versenden von Massenmails unter anderem als unlauterer Wettbewerb angesehen. Auch hierzulande müssen Versender von Massenmails mit teuren Schadensersatzforderungen rechnen.

Wer Mail auf seriösem Weg an Kunden und Interessenten verteilen will, läßt sich das Recht dazu ausdrücklich einräumen. Das kann im Rahmen eines miteinander abgeschlossenen Vertrages passieren. So sind alle Kunden von Engert Netzwerkdienste in einer Mailingliste erfaßt, mit der sie über Wartungsintervalle, Störungen und andere wichtige Nachrichten informiert werden. Auch aus dieser Liste kann man sich austragen lassen, ist dann aber verpflichtet, regelmäßig einen Blick auf die WWW-Seite mit den aktuellen Ankündigungen und Nachrichten zu werfen.

Eine weitere Methode ist das sogenannte Opt-In-Verfahren. Wer über eine Mailingliste regelmäßig informiert werden möchte, meldet sich zum Beispiel über ein Formular auf einer WWW-Seite dazu an. Das dahinter stehende Programm schickt daraufhin eine Mail mit einem Codewort an die frisch eingetragene Adresse. Nur, wenn von dieser Adresse mit dem Codewort geantwortet wird, ist die neue Mailadresse endgültig im Verteiler eingetragen. Diese vielleicht etwas kompliziert anmutende Methode verhindert, daß Spaßvögel irgendwelche wildfremde Adressen in die Liste eintragen können und damit beispielsweise einen Konkurrenten dem Vorwurf des Versendens von Massenmail aussetzen können.

Seit einiger Zeit nimmt eine weitere Form der Massenmails größere Ausmaße an. Viren und Trojanische Pferde benutzen massenhaft verschickte Mails als Vehikel, um sich über schlecht programmierte Mailprogramme zu verbreiten.

<Werbung im Usenet Viren, Würmer, Trojaner>

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