Grundlagen und Informationstexte

Des Übels Anfang - Werbung im Usenet

Den Begriff "spam" hat heutzutage eigentlich schon jeder gehört, der sich etwas näher mit Computern und mit dem Internet beschäftigt hat. Doch nur wenige wissen, was wirklich mit diesem Begriff gemeint ist.

Der Biß in den Apfel fand Anfang 1994 statt. Damals kam ein amerikanisches Rechtsanwaltsbüro auf die Idee, einen Artikel in allen verfügbaren Gruppen des Usenet zu veröffentlichen, um so für die alljährlich anstehende Verlosung von US-Visa mit Arbeitserlaubnis (sog. "green cards") zu werben. Die Anwälte ignorierten bewußt sämtliche thematischen Vorgaben der Usenet-Gruppen, weil sie möglichst viele Internet-Anwender erreichen wollten. Auch damals war das Versenden eines Beitrages für eine Newsgruppe nur eine Sache von Sekunden. Die Verteilung des Artikels geschah über die weltweit vorhandenen Newsserver auf Kosten der Betreiber. Den Anwälten erschien das als eine optimale Form der Werbung: Viele Millionen Empfänger bekamen die Nachricht angezeigt, und es entstanden praktisch keine Kosten.

Den im Usenet verursachten Ärger wollten die Anwälte zu dieser Zeit überhaupt nicht verstehen: Sie beriefen sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung, und vertraten die Ansicht, eine freie Marktwirtschaft brauche nun einmal Werbung. Sie priesen Ihr Vorgehen als optimale Methode, um nun auch das Internet für Werbung zu benutzen.

Bereits damals hätte man durch einfaches Nachrechnen erkennen können, wie schädlich solche Werbebotschaften im Usenet sind: Alleine die Stadt München hat grob 1,2 bis 1,3 Millionen Einwohner und über 140000 Industriebetriebe, Gewerbebetriebe und Freiberufler. Verschickte nun jeder dieser Betriebe nur einmal in zehn Jahren eine Werbebotschaft, tauchten jeden Tag 35 bis 40 neue Werbebotschaften in jeder Gruppe des Usenet auf. Die amerikanischen Großstädte sind sehr viel größer als München, und es gibt bekanntlich eine ganze Menge davon. Hätte sich diese Form der Werbung durchgesetzt, wären die thematischen Beiträge im Usenet schlicht in der Werbeflut abgesoffen.

Ein alter Sketch der Monty Pyton's beschrieb die Wirkung dieser neuen Werbeflut sehr anschaulich, weshalb er hier im Auszug zu Ehren kommen soll. Die handelnden Personen sind Eric Idle als Ehemann, Graham Chapman als Ehefrau, Terry Jones als Kellnerin und der Rest der Truppe bildet einen als Wikinger verkleideten Hintergrundchor.

Ehemann:You sit here, dear.
Ehefrau:All right.
Ehemann:(zur Kellnerin gewandt:) Morning!
Kellnerin:Morning!
Ehemann:Well, what've you got?
Kellnerin:Well, there's egg and bacon; egg sausage and bacon; egg and spam; egg bacon and spam; egg bacon sausage and spam; spam bacon sausage and spam; spam egg spam spam bacon and spam; spam sausage spam spam bacon spam tomato and spam;
Wikinger:(leise singend) Spam, spam, spam, spam...
Kellnerin:..., spam spam spam egg and spam; spam spam spam spam spam spam baked beans spam spam spam, ...
Wikinger:(lauter werdend) Spam! Lovely spam! Lovely spam!
Kellnerin:..., or Lobster Thermidor a Crevette with a mornay sauce served in a Provencale manner with shallots and aubergines garnished with truffle pate, brandy and with a fried egg on top and spam.
Ehefrau:Have you got anything without spam?
Kellnerin:Well, there's spam egg sausage and spam, that's not got much spam in it.
Ehefrau:I don't want any spam!
Ehemann:Why can't she have egg bacon spam and sausage?
Ehefrau:That's got spam in it!
Ehemann:Hasn't got as much spam in it as spam egg sausage and spam, has it?
...

Im Laufe des Sketches wird der Gesang der Wikinger immer lauter und aufdringlicher bis zwischen den Eheleuten und der Kellnerin keine Kommunikation mehr möglich ist. Bis 1994 stand der Begriff "spam" ausschließlich als Marke für eingedoste, gewürzte Schweineschulter. Da aber Monty Pyton's nicht nur bei Informatikern sehr beliebt ist und der Sketch aus den Siebzigern gar so schön auf die neu erlebte Situation paßte, wurde der Begriff nun auch für Werbebotschaften im Usenet zweckentfremdet.

Seriöse Unternehmen lernten schnell, daß man mit dieser unlauteren Werbeform bestenfalls alle seine Kunden in Windeseile vergraulen kann. Daher treten heute überwiegend zwielichtige Gestalten aus dem Drogen- und Rotlichmilieu als Versender von spam im Usenet auf. Es scheint aber weltweit doch noch genug Menschen zu geben, denen ein Besuch in einer Apotheke sehr peinlich ist. Sie nehmen den Werbemüll sowie die vielfältigen Gefahren in Bezug auf Betrug und Vergiftungen in Kauf.

Obwohl das wiederholte Versenden von Werbung im Usenet bei vielen Internetprovidern zu einer sofortigen Vertragskündigung führt, sind insbesondere die Newsgruppen aus dem Erotikbereich weitgehend unlesbar geworden. Dort wird fast nur noch Werbung für kostenpflichtige Websites und potenzsteigernde Medikamente veröffentlicht, und die Diskussionen über das jeweilige Thema der Gruppe sind schon lange abgestorben. Damit den Providern die Kündigung der Zugangsverträge unmöglich gemacht wird, sind die Absenderinformationen in den Artikeln so gut wie immer gefälscht. In den Artikeln selbst werden teilweise sehr kreative Schreibweisen verwendet, welche das automatisierte Finden und anschließende Löschen der Artikel erschweren.

Die Versendung von Werbung per Usenet-Artikel wurde immer schwieriger, denn die einzelnen Botschaften konnten trotz aller Tarnversuche relativ leicht herausgefunden werden. Schließlich mußte man nur die neu angekommenen Artikel miteinander auf ihre Ähnlichkeit vergleichen. Wurde der inhaltlich gleiche Artikel in zu viele Gruppen gleichzeitig eingestellt, war er als unerwünschte Werbung enttarnt. Danach konnte die weitere Verbreitung durch die Administratoren der Newsserver erst einmal gestoppt werden und die Werbewirkung war dahin.

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